Home » News » Krebserkrankung – Achten Sie auf Ihr Gewicht
News

Krebserkrankung – Achten Sie auf Ihr Gewicht

Credits: ZVG

Mit viel Energie den Krebs besiegen 

Credits: Thomsen Photography

Diätologin Barbara Hummer von der Krebshilfe Oberösterreich erklärt im Interview, wieso Gewichtsverlust und Mangelernährung die Behandlung von Krebserkrankungen erschweren. 

Wie wichtig ist es, dass Patient:innen mit einer Krebserkrankung möglichst kein Gewicht verlieren? 

Das ist essenziell für den Therapieerfolg! Wenn Patient:innen viel an Gewicht verlieren, vertragen sie auch meist die Therapie schlechter. Es kommt auch vor, dass dadurch beispielsweise die Dosierung einer Chemotherapie reduziert werden muss, wodurch diese dann nicht mehr so gut wirkt.  

Welche Gründe kann ein Gewichtsverlust haben? 

Zum einen kann die Diagnose schon „auf den Magen schlagen“ und somit zu einer stark eingeschränkten Nahrungsaufnahme führen. Zum anderen hemmen die Krebstherapie und die Erkrankung selbst den Appetit und führen zu einem erhöhten Energieverbrauch. Es gibt hier viele Faktoren, die zusammenspielen. Krebs ist eine auszehrende Erkrankung. Es gibt Fälle, in denen Patient:innen gar nicht am Krebs selbst sterben, sondern an der Mangelernährung. 

Was können Patient:innen tun, wenn sie Gewicht verlieren bzw. es ihnen nicht gut möglich ist, zu essen?  

Die erste Empfehlung ist, dass man sich bereits nach der Diagnosestellung und noch bevor man eine Therapie beginnt eine Liste mit Lieblingsspeisen anlegt, auf die man zurückgreifen kann, wenn man keinen Appetit mehr hat. Große Mahlzeiten sollen auf mehrere aufgeteilt werden. Der nächste Schritt wäre dann, kleine Mahlzeiten hochkalorisch zu gestalten, sodass man viel Energie durch eine kleine Menge an Essen zu sich nimmt. Oft sagen Patient:innen aber auch, dass sie sich mit dem Essen schwer tun und das Trinken leichter fällt – gerade bei Tumoren im Magen-Darm-Bereich. Wir greifen hierfür gerne auf Trinknahrungen zurück, weil auch diese bei kleinen Mengen viel Energie und Nährstoffe liefern. 

Welche Tipps können Sie als Diätologin Krebspatient:innen mitgeben? 

Informieren Sie sich von Anfang an bei Diätolog:innen – nutzen Sie gerne das kostenlose Beratungsangebot der Krebshilfe oder holen Sie sich Tipps auf der Homepage. Lassen Sie sich nicht durch gut gemeinte Ratschläge von allen möglichen Seiten verunsichern und essen Sie das, was Ihnen schmeckt! Es ist wichtig, von Anfang an dahinter zu sein und viel Energie durch die Nahrung aufzunehmen, damit man für den Kampf gegen den Krebs gewappnet ist! 

Mangelernährung bei Krebsleiden als Tabuthema?

Credits: ZVG

Claudia Braunstein
Expertin für Dysphagiekost aus eigener Betroffenheit,
Buchautorin und Bloggerin
www.geschmeidigekoestlichkeiten.at

Frau Braunstein, warum sind Sie Expertin für Mangelernährung bei Krebsleiden und Trinknahrung?

Nachdem ich im Sommer 2011 an einem seltenen Zungenkarzinom erkrankte, musste ich recht bald erkennen, dass das keine einfache, schnelle Geschichte werden würde. Ich wurde 17 Stunden lang operiert, war vier Monate in der Klinik, mehrfach auf Reha und letztlich ein Pflegefall. Innerhalb von zweieinhalb Monaten habe ich 18 Kilo abgenommen. Bei 1,70 m wog ich nur noch 45 kg – weshalb ich akut von Multiorganversagen bedroht war.

Wie kam es zu dieser starken Gewichtsabnahme?

Ich war beim Schlucken so eingeschränkt, dass eine orale Ernährung nicht mehr möglich war. Das wollte ich aber lange nicht wahrhaben; ich wollte partout nicht über eine Sonde ernährt werden. Die wurde dann aber trotzdem über meinen Kopf hinweg für mich beschlossen und heute bin ich dankbar dafür. Ich war sehr unvernünftig, habe den Gewichtsverlust und das Ernährungsproblem im Rahmen einer Krebserkrankung deutlich unterschätzt. Das Problem ist, dass viele Patienten glauben, eine Magensonde sei eine endgültige Lösung, die man nie mehr loswerde. Auch ich dachte das. Aber das stimmt nicht.

Ist Mangelernährung bei Krebspatient:innen häufig? 

Die meisten Krebspatienten sind davon betroffen. Der Tumor bindet so viele Ressourcen im Körper, dass eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen über eine herkömmliche Ernährung oft nicht möglich ist. Auch Chemotherapien zehren den Körper sehr aus. Mir wurden in der Klinik, als ich noch trinken konnte, zwei Fläschchen hochkalorische Trinknahrung am Tag verabreicht. Ich hatte zu Beginn noch Angst, zuzunehmen, bemerkte dann aber schnell, wie wichtig sie für mich sind. Der Vorteil dabei ist, dass man die Trinknahrung überall mithinnehmen kann.  

Worauf kommt es bei Trinknahrung noch an? 

Wichtig ist, dass sie hochkalorisch ist. Nur so können genug Kalorien zugeführt werden, denn der Kalorienbedarf Betroffener steigt während der Erkrankung und der Therapie deutlich an. Manchen Produkten sind auch bewusst Ballaststoffe zugesetzt, weil die Verdauung sonst nicht richtig funktioniert. Ich hatte fünf Jahre nach meiner Operation einen akuten Darmverschluss, weil durch meine Ernährung die Ballaststoffe gefehlt haben. Leider wird das Thema aber immer noch tabuisiert.  

Finden Sie?  

Ja, absolut. Das Thema Schluckstörung etwa ist ein totales Tabu. Dies dürfte wohl daran liegen, dass es mit dem Altern assoziiert wird. Der Hauptgrund dafür sind meist schlechtsitzende Zahnprothesen – noch so ein schwieriges Thema. Wer kein ordentliches Zahnmaterial hat, wird meist als arm angesehen. Ich habe aufgrund der Bestrahlung meine Zähne verloren, hatte aber das große Glück, dass trotz bestrahltem Kieferknochen noch Implantate gesetzt werden konnten. In den meisten Fällen ist das aber nicht möglich. Man sieht also der Zahnzustand ist oft unabhängig von Armut und Reichtum. Unverträglichkeiten sind kein Tabuthema mehr, aber schlechtsitzende Zahnprothesen sind es. Man schämt sich dafür.  

Fälschlicherweise. 

Genau. Ich vergleiche das immer mit Inkontinenz. Die hat für viele auch etwas mit dem Alter und Unzulänglichkeiten zu tun. Als Werbung für diese Produkte geschalten wurde, war der Aufschrei zuerst groß – doch heute ist das kein Thema mehr. Und das ist gut so. Deshalb würde ich mir wünschen, dass Schluckstörungen und Mangelernährung ebenso offen kommuniziert werden, sodass es zu einer Enttabuisierung kommt. Unsere Gesellschaft wird zunehmend älter, das heißt, die Zahl der Betroffenen wird steigen – ein schambefreiter und offener Umgang würde allen helfen.  

Next article