In Österreich haben bis zu 700.000 Menschen (Dunkelziffer: bis zu 200.000) Diabetes, Tendenz steigend. Als Gründe für diese Entwicklung nennt Univ.-Prof.in Dr.in med. Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Universitätsklinik für Innere Medizin III an der Medizinischen Universität Wien und Autorin, die höhere Lebenserwartung und einen ungesunden Lifestyle, der Übergewicht fördert.

Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra KautzkyWiller
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Leiterin der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Meduni Wien Professorin für Gendermedizin
Diabetes ist nicht gleich Diabetes – welche Unterschiede gibt es?
Hauptmerkmal der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) ist ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel infolge eines Insulinmangels. Das Hormon ist wichtig, damit der Zucker aus dem Blut in die Körperzellen gelangt, denen er als Energiequelle dient. Insulinmangel heißt: Entweder wirkt das Hormon weniger (Insulinresistenz) oder es wird zu wenig bis nichts mehr davon in der Bauchspeicheldrüse produziert.
- Ein kleiner Teil der Diabetiker:innen leidet am noch unheilbaren Typ 1, der meist im Kindesalter und wenn, dann mit dramatischen Anzeichen auftritt (siehe Kasten). Die Betroffenen müssen ab sofort ein Leben lang Insulin bekommen, denn ihr Immunsystem richtet sich gegen ihre körpereigene Insulinproduktion (Autoimmunerkrankung).
- 80 Prozent der Diabetiker:innen leiden an Typ 2, der sich schleichend entwickelt und deshalb oft erst erkannt wird, wenn er das Prädiabetesstadium schon hinter sich hat. Seine Ursachen sind vielfältig, der Lebensstil spielt eine große Rolle – insbesondere Übergewicht.
- Ein Schwangerschaftsdiabetes tritt meist ab der 24. Schwangerschaftswoche auf.
Wie wichtig ist eine frühzeitige Diagnose?
Beim Diabetes Typ 1 retten Früherkennung und Behandlung das Leben. Bei Diabetes Typ 2 bietet die frühe Erkennung eine wichtige Chance. Wenn frühzeitig eine gezielte Therapie begonnen wird, kann sich die Erkrankung zurückbilden oder sie so gut eingestellt werden, dass ein gutes Leben bis ins hohe Alter möglich ist. Ich rate deshalb jedem Menschen ab 35, einen Blutzuckertest (Langzeittest, Nüchterntest, Zuckerbelastungstest) zu machen, um das individuelle Risiko abzuschätzen.
Welche modernen Therapien gibt es?
Statt der klassischen Insulinspritze gibt’s längst Insulinpens und -pumpen. Bei Letzteren handelt es sich um kleine Geräte, die via Schlauch mit einem Katheter am Körper verbunden sind. Bei Diabetes Typ 1 kommen heute hybride Closed-Loop-Systeme zum Einsatz – Insulinpumpen, die mit einem kontinuierlichen Gewebezuckermessgerät gekoppelt sind.
RISIKOFAKTOREN SIND
- erstgradige Verwandtschaft mit Diabetiker:innen
- (zu) hoher Blutdruck
- (zu) hoher LDL-Cholesterinspiegel
- Übergewicht
- bestehende Schwangerschaft oder vergangener Schwangerschaftsdiabetes
SIND SIE GEFÄHRDET?
Diabetes Typ 1 – die Anzeichen
Meist entwickeln sich die Anzeichen für Diabetes Typ 1 innerhalb weniger Tage und Wochen:
- massiver Durst
- Azetongeruch
- häufiges Wasserlassen
- häufige Harnwegs- und Vaginalpilzinfekte
- Gewichtsabnahme
• Muskelschwäche - Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Wundheilungsstörung Unerkannt und unbehandelt steigern sich die Anzeichen in einen akuten Notfall, der lebensbedrohlich ist.
Diabetes Typ 2 – die Anzeichen
Der Diabetes Typ 2 zeigt sich nicht mit typischen Anzeichen – er entwickelt sich über Jahre. Sind Anzeichen da, ist er bereits fortgeschritten und die Schäden im Körper sind bereits da. Mögliche Anzeichen sind wie bei Typ 1 und zusätzlich
- unreine Haut (Akne)
- Sehstörungen
- Antriebsarmut
- Konzentrations- und Leistungsschwäche, Vergesslichkeit
- Niedergeschlagenheit bis Depression
- bei Frauen: unregelmäßiger Zyklus, polyzistische Ovarien (PCO), Probleme beim Schwangerwerden
- bei Männern: Erektionsstörungen