Dr.in med. Stephanie Poggenburg, 1. Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) erklärt im Interview die Bedeutung der Nieren.

Dr.in Stephanie Poggenburg
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Fachärztin für Allgemeinmedizin & Familienmedizin, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin
Welche Aufgaben haben die Nieren?
Nieren filtern täglich rund 180 Liter Blut und entfernen Abfall- und Giftstoffe über den Harn. Sie regulieren Salz, Wasser und Blutdruck. Sie helfen, Vitamin D und das für die Blutbildung wichtige Hormon Erythropoetin zu bilden.
Warum sollte man an die Nieren denken?
Weil sie im Schatten vieler Volkskrankheiten mitleiden: Bei Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2 und Übergewicht (Adipositas) schwächeln meist auch die Nieren. Eine sich einschleichende Nierenschwäche (Insuffizienz) führt schlimmstenfalls zu einem tödlichen Infarkt und Schlaganfall oder zu einem „Raucherbein“, das amputiert werden muss.
Wer sollte die Nieren unbedingt untersuchen lassen?
Alle, die an einem der genannten Volksleiden erkrankt oder familiär vorbelastet sind, sollten ihre Nierenwerte per Blut- und Harnprobe (kein Streifentest!) von ihren Hausärzt:innen checken lassen. Je nach Ergebnis sind dann passende Maßnahmen zum Nierenschutz ratsam. Es gibt Medikamente, die den Fortschritt einer Nierenschwäche hinauszögern. Bei einem existenten Diabetes mellitus sollte man sich in ein Disease-ManagementProgramme (DMP) aufnehmen lassen – die Teilnehmer:innen leben erwiesenermaßen länger und gesünder. Und die Ärzt:innen sparen mit DMP-Patient:innen pro Jahr rund 1.000 Euro Kosten.
„Die Dunkelziffer bei Nierenerkrankungen ist zu hoch, um sie im Dunkeln zu lassen.“
Claus Pohnitzer, Obmann Selbsthilfe Niere
Welche Nierenwerte sind wichtig?
1. eGFR: geschätzte glomeruläre Filtrationsrate 2. UACR: Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio Wobei die aus Blut und Harn ermittelten Nierenwerte immer individuell zu beurteilen sind.
Haben Sie Tipps zum Nierenschutz?
1. Stellen Sie sofort das Rauchen ein! Eine gesund alternde Niere verliert ab 40 jährlich ein Prozent ihrer Funktion. Bei Raucher:innen sind es drei bis vier Prozent pro Jahr!
2. Achten Sie auf Ihr Gewicht – ernähren und bewegen Sie sich gesund. Halten Sie sich an persönliche Ernährungs- und Trainingsempfehlungen von professionellen Berater:innen!
3. Bei Bluthochdruck und Diabetes-2: Ermitteln Sie mit Ihren Haus- und Fachärzt:innen Ihre individuellen Zielwerte und stellen Sie diese mit Medikamenten gemeinsam ein!
GESUNDHEITS PARAMETER, DIE SIE KENNEN SOLLTEN:
eGFR: Der eGFR-Wert zeigt, wie gut die Nieren das Blut filtern. Liegt er unter 60 ml/min/1,73 m², besteht der Verdacht auf eine Nierenerkrankung. Bei Werten zwischen 60 und 90 ml/min/1,73 m² sollte zusätzlich der UACR-Wert bestimmt werden.
UACR: Der UACR-Wert misst Eiweiß (Albumin) im Urin. Liegt er bei größer oder gleich 30 mg/g, besteht der Verdacht auf eine Nierenerkrankung, insbesondere bei Menschen mit Bluthochdruck oder Diabetes.
HbA1c: Der HbA1c-Wert zeigt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 2–3 Monate. Liegt dieser bei größer oder gleich 6,5 %, besteht der Verdacht auf Diabetes, und Diabetes ist ein wesentlicher Risikofaktor für Nierenschäden.
Blutdruck: Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck von größer oder gleich 140/90 mm/Hg kann die Nieren schädigen und ist ein wesentlicher Risikofaktor für Nierenerkrankungen.
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